Description:
Die wirtschaftliche und gesellschaftliche Krise in der Bundesrepublik wird nicht „am runden Tisch" auf höchster Ebene überwunden. Hier einigt man sich allenfalls auf den „kleinsten gemeinsamen Nenner". Nötig ist eine tiefgreifende institutionelle Reform. Beim Urteil über institutionelle Regelungen kommt es allein auf deren Wirkung im Rahmen der marktwirtschaftlichen Abläufe an. Die Dynamik der Märkte und die Solidität des Sozialen gehören zusammen. Markt und Leistungswettbewerb sind grundlegend für sozial akzeptable Ergebnisse des Wirtschaftsprozesses. Das Sozialstaatsprinz/p, richtig ausgestaltet, stärkt die Dynamik des Wirtschaftssystems. Für mehr Dynamik der Märkte müssen dem Leistungs- und Steuerstaat engere Grenzen gezogen werden. Die Aufgaben bei der Privatisierung und Deregulierung — zunehmend auch auf Landesebene und in den Kommunen — sind noch lange nicht beendet. Die gegenwärtige Diskussion um die Steuerreform wird zu stark verkürzt: sie blendet die vorrangige Diskussion um die echten Aufgaben des Staates aus; dies begünstigt den Status quo bei den Ausgaben und blockiert den Abbau der Subventionen. Es geht auch um mehr Effizienz in der öffentlichen Verwaltung und eine bessere Arbeitsteilung zwischen den verschiedenen Ebenen staatlichen Handelns, also weniger Zentralismus — in Deutschland, aber auch in der Europäischen Union. Mehr Vertragsfreiheit auf Unternehmensebene ist notwendig für mehr Beschäftigung und Einkommenssicherheit. Der Versuch der Unternehmen und Betriebsräte, zu beiderseitig befriedigenden Regelungen zu kommen, stößt oft an die (engen) Grenzen des bestehenden Rechts. In der Verfassung des Arbeitsmarktes sind daher die marktwirtschaftlichen Elemente (Vertragsfreiheit, Wettbewerb) gegenüber der praktizierten korporatistischen Steuerung zu stärken. Die Tarifautonomie bedarf der disziplinierenden Außenseiterkonkurrenz, um die Dominanz der Beschäftigten (Insider) gegenüber den Arbeitslosen (Outsidern) zu vermindern. Mit Reformen auf dem Arbeitsmarkt allein ist es aber nicht getan, denn die sozialen Sicherungssysteme, allen voran die Sozialhilfe, stellen eine Art Sperrklinke für nach unten flexible Löhne dar. Sie behindern die erforderliche größere Differenzierung der Löhne. Und diese Systeme in ihrer jetzigen Form machen es den Tarifvertragsparteien zudem auch zu leicht, die unsozialen Folgen ihrer Lohnpolitik abzuwälzen und zu vernachlässigen. Die Belastungen der Beitrags- und Steuerzahler durch die Kosten der sozialen Sicherungssysteme sind insgesamt zu hoch. Sie resultieren vielfach aus verzerrten Anreizen. Der Abbau solcher institutionalisierten Fehlanreize ist kein „Sozialabbau", keine „Demontage des Sozialstaates", sondern zentrale Voraussetzung einer soliden sozialstaatlichen Verfassung. In allen Teilen der sozialen Sicherungssysteme gilt es, mehr Eigenverantwortung und Selbstvorsorge zu ermöglichen, zu fördern und auch zu fordern. Die Sozialhilfereform sollte sowohl die Anreize zur Arbeit als auch den Druck zur Arbeitsaufnahme erhöhen. Für die Risiken Arbeitslosigkeit, Krankheit, Pflege und Alter ist die allgemeine Versicherungspflicht auf Höhe einer gesetzlich definierten Mindestabsicherung zu begrenzen; eine höhere Absicherung sollte der individuellen Abwägung vorbehalten bleiben. In den Versicherungen selbst ist das Äquivalenzprinzip zu stärken. In der Rentenversicherung sollte das Kapitaldeckungsverfahren schrittweise eingeführt werden. Das Soziale an den Systemen der Sozialversicherung ist nicht die paritätische Finanzierung. Dies ist ein Trugbild und schafft Finanzierungsillusion — die Arbeitnehmer tragen letztlich die Last allein. Der Ehrlichkeit und Effizienz wegen sollte der Arbeitgeberanteil an den Beiträgen zu den sozialen Sicherungssystemen den Arbeitseinkommen zugeschlagen werden. Das Versicherungsverhältnis (abgesehen von der Arbeitslosenversicherung) sollte vom Arbeitsverhältnis gelöst werden.