الوصف:
Es ist kaum ein Zufall, daß sich die ausländischen Direktinvestitionen in andere Regionen verlagerten, solange der Standort Lateinamerika durch Überschuldung, ökonomische Stagnation und eine allenfalls begrenzte Reformbereitschaft gekennzeichnet war. Die jüngste Wiederbelebung der Direktinvestitionen in Lateinamerika war von Land zu Land unterschiedlich stark ausgeprägt. Zu hohen Zuflüssen kam es insbesondere dort, wo die Märkte für Auslandsinvestoren und Importe geöffnet, gesamtwirtschaftliche Wachstumspotentiale besser genutzt, makroökonomische Instabilitäten überwunden, Investitionen in Humankapital erhöht und kooperative Lösungen der Schuldenprobleme in eine verbesserte Bonität auf den internationalen Kapitalmärkten umgesetzt wurden. Danach konnten vor allem Mexiko, Chile und Argentinien ihre Attraktivität für ausländisches Risikokapital steigern. Brasilien und Peru bildeten durchweg den Gegenpol. Die deutschen Auslandsinvestoren reagierten vergleichsweise schwach und nur verzögert auf die Änderung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen in den lateinamerikanischen Gastländern. Für die Beharrungstendenz war mitverantwortlich, daß deutsche Unternehmen ihre Investitionen in Entwicklungsländern auf wenige Staaten Lateinamerikas konzentrierten. Unternehmen waren zu Gefangenen früherer Entscheidungen geworden und verfolgten angesichts der hohen gebundenen Altinvestitionen vorwiegend defensive Anpassungsstrategien. Reformbereite Gastländer konnten nicht darauf vertrauen, daß die deutschen Direktinvestitionen ähnlich stark wie die globalen Ströme zu ihren Gunsten umgelenkt wurden. Wegen der Besonderheiten im deutschen Investitionsverhalten können die gegenwärtig positiven Einschätzungen des Standorts Lateinamerika nicht automatisch mit höheren Zuflüssen in der Zukunft gleichgesetzt werden. Am ehesten wird Mexiko von vermehrten deutschen Investitionen profitieren, weil man nach der NAFTA-Vereinbarung von dort aus die nordamerikanischen Märkte kostengünstig beliefern kann. Der Effekt der sonstigen Freihandelsvereinbarungen in Lateinamerika wird dagegen eher gering bleiben, nicht zuletzt weil die Voraussetzungen für eine erfolgreiche regionale Integration oftmals fehlen. Regionale Integrationsbemühungen sind in keinem Fall ein Ersatz für nationale Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas in Lateinamerika. Nur wenn der Reformkurs beibehalten wird und die Wirtschaftspolitik glaubwürdig bleibt, werden sich verbreitete Befürchtungen, daß es sich bei den Kapitalzuflüssen der letzten Jahre nur um ein Strohfeuer handelt, als grundlos erweisen. Für die Bundesrepublik und andere Industrieländer gilt es, die wirtschaftspolitischen Reformen in Lateinamerika durch Marktöffnung und den Abbau handelspolitischer Diskriminierungen abzusichern. Im Rahmen der entwicklungspolitischen Zusammenarbeit ist die Förderung der Humankapitalbildung von vorrangiger Bedeutung. Die Wirksamkeit einer derartigen Unterstützung von Wirtschaftsreformen auf die Attraktivität der Gastländer für ausländische Direktinvestitionen ist höher einzuschätzen als der Effekt spezifischer Anreize für Direktinvestitionen in Lateinamerika. Die Erfahrung zeigt, daß direkte Fördermaßnahmen nicht nur ordnungspolitisch bedenklich, sondern auch wenig wirksam sind.